Warum wir noch keine Theorie der Quantengravitation haben

Die Geschichte der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) beginnt mit Isaac Newton und seinem Gravitationsgesetz, veröffentlicht in seinem Werk "Philosophiæ Naturalis Principia Mathematica" im Jahr 1687. Dieses besagt, dass sich zwei Massen (m₁) und (m₂) mit einem Abstand (r) gemäß folgender Formel anziehen:

\[F = G \frac{m_1 m_2}{r^2}\]

wobei (G) die Gravitationskonstante ist. Newtons Theorie erklärte die Bewegung der Planeten und vieler anderer Phänomene im Universum. Ein Problem blieb jedoch ungelöst: die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Gravitation. Newtons Theorie implizierte eine instantane Wirkung, was im Widerspruch zur Erkenntnis stand, dass sich nichts schneller als das Licht ausbreiten kann.

Einstein löste dieses Problem mit seiner Speziellen Relativitätstheorie (SRT), die er 1905 in seiner Arbeit "Zur Elektrodynamik bewegter Körper" vorstellte. Diese postulierte, dass die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ((c)) eine universelle Konstante ist. Die SRT führte zu neuen Konzepten von Raum und Zeit und revolutionierte unser Verständnis der Physik. Doch auch die SRT hatte ihre Grenzen: Sie konnte die Gravitation nicht adäquat beschreiben.

Einstein erkannte, dass die Gravitation nicht als Kraft, sondern als Krümmung der Raumzeit zu verstehen ist. Massive Objekte krümmen die Raumzeit um sich herum, und diese Krümmung beeinflusst die Bewegung anderer Objekte. Diese Erkenntnis führte zur Allgemeinen Relativitätstheorie, die er 1915 in seiner Arbeit "Die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie" veröffentlichte und durch die Einsteinschen Feldgleichungen beschrieben wird:

\[R_{\mu \nu} - \frac{1}{2} R g_{\mu \nu} + \Lambda g_{\mu \nu} = \frac{8 \pi G}{c^4} T_{\mu \nu}\]

Diese Gleichungen verbinden die Krümmung der Raumzeit ((R_{\mu \nu}), (R), (g_{\mu \nu})) mit der Energie und dem Impuls der Materie ((T_{\mu \nu})). Die ART erklärte nicht nur die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Gravitation mit Lichtgeschwindigkeit, sondern sagte auch neue Phänomene wie die Gravitationslinsen und Gravitationswellen voraus.

Ein zentrales Problem: Quantenmechanik vs. Allgemeine Relativitätstheorie

Ein zentrales Problem in der modernen Physik ist die Vereinbarkeit der ART mit der Quantenmechanik. Die Quantenfeldtheorie, die erfolgreich die Wechselwirkungen von Elementarteilchen beschreibt, besagt, dass Teilchen nicht als punktförmige Objekte mit definiertem Ort und Impuls existieren. Stattdessen unterliegen sie der Heisenbergschen Unschärferelation:

\[\Delta x \cdot \Delta p \geq \frac{\hbar}{2}\]

Diese besagt, dass Ort ((x)) und Impuls ((p)) eines Teilchens nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmt werden können. Je genauer der Ort bekannt ist, desto ungenauer ist der Impuls und umgekehrt.

Die ART hingegen beschreibt die Gravitation als Krümmung der Raumzeit, die durch die Masse und Energie von Objekten verursacht wird. Wenn aber ein Teilchen nicht präzise lokalisiert werden kann, wie kann dann seine Gravitation definiert sein? Wo genau "sitzt" die Masse, die die Raumzeit krümmt?

Diese Frage verdeutlicht den Konflikt zwischen der ART und der Quantenmechanik und die Notwendigkeit einer Theorie der Quantengravitation.

Die Suche nach der Quantengravitation

Die Suche nach einer Theorie der Quantengravitation ist eine der größten Herausforderungen der modernen Physik.

Ein vielversprechender Ansatz ist die Schleifenquantengravitation (LQG), die in den 1980er Jahren von Abhay Ashtekar, Lee Smolin und Carlo Rovelli entwickelt wurde. Die LQG geht davon aus, dass Raum und Zeit nicht kontinuierlich, sondern quantisiert sind, d.h. aus winzigen, diskreten Einheiten bestehen. Diese "Raumzeit-Atome" bilden ein dynamisches Netzwerk, das sich ständig verändert und die Grundlage für die Gravitation bildet.

Ein anderer Ansatz ist die Stringtheorie, deren Anfänge in den 1960er Jahren liegen und die von Physikern wie Gabriele Veneziano, Leonard Susskind und Yoichiro Nambu vorangetrieben wurde. Die Stringtheorie postuliert, dass die fundamentalen Bausteine der Materie nicht punktförmige Teilchen, sondern eindimensionale Strings sind. Die Schwingungen dieser Strings erzeugen die verschiedenen Elementarteilchen und Kräfte, einschließlich der Gravitation.

Allerdings: Die Stringtheorie liefert bisher keine eindeutigen, experimentell überprüfbaren Vorhersagen und hat viele freie Parameter, was ihre Gültigkeit in Frage stellt. Es ist unklar, ob sie die Unendlichkeiten der ART tatsächlich lösen kann und ob sie die richtige Beschreibung der Quantengravitation ist.

Beide Ansätze, LQG und Stringtheorie, sind noch in der Entwicklung und stehen vor großen Herausforderungen. Sie bieten jedoch (zumindest die LQG) vielversprechende Wege, um die Unendlichkeiten in der ART zu überwinden und eine vereinheitlichte Theorie der Quantengravitation zu formulieren. Eine solche Theorie würde unser Verständnis des Universums auf fundamentaler Ebene revolutionieren und neue Einblicke in die Natur von Raum, Zeit und Materie ermöglichen.

Der Ansatz mit den Mittelwerten

Ein neuerer Ansatz in der Quantengravitation, der aktuell viel diskutiert wird, ist der Ansatz mit den Mittelwerten. Dieser Ansatz versucht, die Probleme der Quantisierung der Gravitation zu umgehen, indem er die klassischen Feldgleichungen der ART mit quantenmechanischen Mittelwerten der Materiefelder koppelt.

Anstatt zu versuchen, den Gravitationsfeldern selbst Quantenoperatoren zuzuordnen, werden die Gravitationsfelder als klassisch betrachtet und die Quantenfluktuationen der Materiefelder werden durch ihre Mittelwerte ersetzt. Dieser Ansatz ermöglicht es, semiklassische Effekte wie die Hawking-Strahlung von Schwarzen Löchern zu beschreiben und bietet möglicherweise einen Weg, die ART und die Quantenmechanik auf einer effektiven Ebene zu vereinen.

Obwohl der Ansatz mit den Mittelwerten einige Erfolge erzielt hat, ist er noch nicht vollständig entwickelt und es gibt viele offene Fragen. Insbesondere ist unklar, ob dieser Ansatz zu einer vollständigen Theorie der Quantengravitation führen kann oder ob er nur eine Näherung darstellt, die in bestimmten Situationen gültig ist.

Trotz dieser Herausforderungen bietet der Ansatz mit den Mittelwerten eine interessante Perspektive auf das Problem der Quantengravitation und könnte zu neuen Erkenntnissen über die Natur von Raum, Zeit und Materie führen.